Mittelalterliche Prunkgläser aus Lübeck

Der Glaskomplex stammt aus dem Großgrabungsprojekt Lübecker Gründungsviertel, das seit dem Jahr 2009 in mehreren Grabungsabschnitten und -arealen die Begründung und frühen Strukturen der Lübecker Altstadt untersucht [1].

Neben spektakulären baulichen Strukturen aus dem 12. Jahrhundert spiegeln insbesondere die zahlreichen Funde der Alltagskultur den hohen Lebensstandard der mittelalterlichen Bevölkerung wider. Hierzu zählt auch ein großer Komplex fragmentierter Prunkgläser [2]. Die Gläser wurden an der HTW Berlin hinsichtlich Provenienz und Herstellungsspuren analysiert sowie konservatorisch-restauratorisch bearbeitet. Des Weiteren konnte ein Verpackungs- und Lagerungskonzept für den vielteiligen Komplex erstellt werden, um diesen langfristig erschließbar und handhabbar zu machen.

Nach Eingang des Komplexes wurden die Glasfragmente hinsichtlich Farbigkeit, Oberflächengestaltung, Form und funktionaler Merkmale sowie anhand der Korrosionsbilder sortiert, so dass zahlreiche Gefäßzusammenhänge ermittelt werden konnten. Mittels Mikroskopie, UV-Belichtung und Röntgenfluoreszenzanalyse folgten Untersuchungen zur Materialität. Die Analysen ergaben mehrheitlich Materialzusammensetzungen, die auf das mittels Pottasche hergestellte, nordeuropäische Waldglas schließen lassen. Entsprechend konnten typische aber auch überraschende Erhaltungszustände dokumentiert werden. Diese reichen von milchig-trüber Gelschichtbildung, über braune Punkt- und Flächenkorrosionen bis zu schillernden Irisschichten und komplett umgewandelten, verbräunten Glassubstanzen.

Den Untersuchungen folgte die konservatorisch-restauratorische Maßnahmenplanung, die aus Reinigungs- und Klebeproben bestand. Da die Gläser direkt nach ihrer Bergung durch das Grabungsteam gereinigt worden waren, sollten die bereits umgewandelten, jedoch materialimmanenten Oberflächenschichten nicht weiter belastet werden. Aus diesem Grund beschränkte sich die Reinigung auf oberflächliches Abrollen mittels Wasser-Alkohol Gemisch (50:50) und Wattekompressen. Die anschließende Klebung erfolgte mit einem Ethyl-Methacrylat Copolymer vom Typ Paraloid B 72. In Abhängigkeit von der Stärke der Glaswandung kam sowohl das Infiltrations- als auch das Aufbauverfahren zum Einsatz, jeweils in mittel- bis hochviskosen Konzentrationen von 25- 40% und gelöst in Ethylacetat /Ethanol.

Nach Abschluss der Arbeiten liegt der vielteilige Komplex systematisch und objektgerecht verpackt vor. Teile des Komplexes sind durch die restauratorischen Maßnahmen als fragmentierte Gefäße bereits ansprechbar. Insgesamt birgt der Glaskomplex eine Vielzahl kulturwissenschaftlicher Informationen über die Lebensverhältnisse der mittelalterlichen Bewohner der Lübecker Altstadt, die nach der Bearbeitung erschlossen und erforscht werden können.

[1] http://www.luebeck.de/tourismus/sightseeing/weltkulturerbe/gruendungsviertel/abschnitt_02/index.html

[2] http://www.luebeck.de/tourismus/sightseeing/weltkulturerbe/gruendungsviertel/abschnitt_04/index.html