Frühneuzeitliche Waldgläser der Glashütte Hilsborn, Weserbergland

Bereits 1928 wurde erstmals über den Standort der ehemaligen Waldglashütte „unter dem Hilsborn“ berichtet. Seit Mitte der 1990er Jahre wird dieser Glashüttenplatz im niedersächsischen Landkreis Holzminden von der archäologischen Denkmalpflege systematisch freigelegt und untersucht.

Bis heute konnte während der langwierigen Ausgrabungen ein großflächiges Siedlungsareal mit spätmittelalterlichem und frühneuzeitlichem Glashüttenbetrieb und Wohnbereichen nachgewiesen werden. [1]

Aus dem Fundmaterial lassen sich neben Glätt- und Flachgläsern auch verschiedene Schalen, Flaschen und Trinkgläserformen rekonstruieren. Die Befundsituation deutet auf ehemalige Warenlager hin, da die Gläser stellenweise in Stroh eingebunden waren. Vor allem die Lage einiger Objekte und Gefäße unterstützen die These, dass es sich um für den Handel produziertes und verpacktes Material handelt. Mitunter wurden ineinander gesteckte und gestapelte Trinkgläser aufgefunden, eine pragmatische und platzsparende Art, Gläser auf kleinem Raum zu lagern. [2]

Einige der Glasfunde wurden der HTW Berlin und dem Studiengang Konservierung und Restaurierung / Grabungstechnik für die restauratorische Bearbeitung übergeben. Hauptziel der Bearbeitung, war die wissenschaftliche Erschließung und die langfristige Sicherung der Glasobjekte. Es gilt, weitere Abbauprozesse zu minimieren und die Gläser in ihrer ursprünglichen Form für die Forschung und Präsentation lesbar zu machen.

Wie die meisten Materialien unterliegt auch Glas diversen Korrosionsprozessen. Diese werden nach der Bergung aus dem feuchten Boden massiv beschleunigt und wirken sich auf die Stabilität des Objektes aus. Die Beständigkeit eines Glases hängt maßgeblich von Faktoren, wie der Zusammensetzung des Materials, der Art der Herstellung und den Bedingungen während der Bodenlagerung ab. Mittelalterliche Waldgläser sind aufgrund ihrer Zusammensetzung besonders gefährdet.

Der erste Schritt nach der Entgegennahme des Objektes ist das sorgfältige Aufnehmen des Eingangszustandes. Zusätzlich zur schriftlichen und fotografischen Dokumentation ist die farbliche Kartierung ein wichtiges Mittel, um gesammelte Informationen - speziell zum Abbaugrad - zu verdeutlichen.

Bereits nach der Bergung und im Zuge der Fundversorgung wurden die Hilsborn Gläser mit herkömmlichem Klebeband provisorisch geheftet. Dieser Umstand ist aus unterschiedlichen Gründen problematisch: die Klebestreifen wurden auf das ungereinigte Objekt aufgebracht, sodass Sedimentauflagerungen und Stäube auf der Materialoberfläche mit fixiert wurden. Da die Art des Klebestreifens zudem unbekannt ist, muss in Erwägung gezogen werden, dass das Produkt chemisch instabil sein und mit dem archäologischen Glas reagieren kann.

Ein weiterer Nachteil ist, dass die Heftungen unpräzise ausgeführt wurden. Einzelne Fragmente liegen nicht exakt an, so dass die Bruchkanten bei Bewegung aneinander reiben. Dies kann zu Materialverlust führen und begründet eine sorgfältige Entfernung der provisorischen Heftungen.

Nach der Entfernung der Klebestreifen konnten die Objekte im Scherbennetz betrachtet werden. Erstmals kann so die Innenseite des Gefäßes in Augenschein genommen werden. Im Anschluss wurden Konzepte für die Reinigung der gesamten Materialoberfläche erarbeitet, so dass die Auflagerungen und Klebereste mittels eines Lösemittelgemisches aus Ethylacetat und Ethanol besonders schonend entfernt werden konnten.

Abschließend wurden die zerscherbten Gläser sorgfältig zusammengesetzt um schlussendlich auch eine ansprechende Präsentation zu ermöglichen. Nach der Klebung wiesen alle Gläser Fehlstellen auf, die in den meisten Fällen die Stabilität beeinflussten. Ergänzungen werden in der Regel aus statischen oder aus ästhetischen Gründen eingesetzt und auch in diesem Projekt sollte die Statik der Objekte durch Folien aus Paraloid B 44, einem Methyl-Methacrylat-Copolymer, unterstützt werden. Dieses zeichnet sich unter anderem durch hohe Festigkeit, Transparenz, und eine geeignete Glasübergangstemperatur aus. Auch eine einheitliche Optik sollte erreicht werden. Um aber die Ergänzungen vom Originalmaterial klar unterscheidbar zu machen, wurden diese nicht eingefärbt sondern transparent belassen.

Für den Transport und die Aufbewahrung der Gläser wurden Polypropylen-Boxen ausgewählt. Aus dem PE-Schaum Plastazote wurden passende Innenstrukturen für die Boxen gefertigt, die die Gläser stabilisieren und gegen mechanische Beschädigungen, wie etwa durch Stöße sichern.

 

[1] LEIBER 2015 S.278

[2] LEIBER 2015 S.283

Quelle: Christian Leiber: Überfall auf eine Waldglashütte im Hils bei Grünenplan während des Dreißigjährigen Krieges. In: Von der Weser in die Welt. Festschrift für Hans-Georg Stephan zum 65. Geburtstag, Hrsg. Tobias Gärtner, Sonja König, Langenweissbach 2015, S. 277-290