Subjekt oder Objekt? – Ein organischer Fund aus Thaldorf, Sachsen-Anhalt

Eine Auseinandersetzung mit Fertigungsmöglichkeiten von im Restaurierungskontext verwendbaren Staffagen. Dabei wurden Materialien evaluiert und anhand von Testreihen auf ihre Eignung in Bezug auf den Kontext eines neuzeitlichen Damenschuhs aus Thaldorf, Sachsen-Anhalt, geprüft. Durch die im Objekt befindlichen menschlichen Überreste wurden diese Beobachtungen in einem ethischen Diskurs durchgeführt, wie ein sachgerechter Umgang in Restaurierung, Lagerung und Präsentation mit diesen Überresten aussehen könnte.

Im Jahr 2002 wurden im Zuge von Böschungsarbeiten um die evangelische Kirche St. Wenzel in Thaldorf in Sachsen-Anhalt zahlreiche außerordentlich gut erhaltene organische Kompositobjekte geborgen. 

Der rechte Absatzschuh ist Teil dieses Fundkomplexes und besteht aus unterschiedlichen Textilien, hauptsächlich Seide, Leder und Holz. Im Schaftbereich wurden kupferhaltige und eiserne Fragmente einer Rundschnalle erfasst. Zusätzlich befanden sich 19 menschliche Knochen eines rechten Fußes in situ im Schuh.

Der gute Erhaltungszustand sowie, die im Schuhinneren befindlichen, menschlichen Überreste machten den neuzeitlichen Schuh zum Gegenstand von Semesterprojekten und einer Abschlussarbeit. In diesen wurden nicht nur Fragen zum restauratorisch – konservatorischen Vorgehen gestellt, sondern auch zum Umgang mit den menschlichen Überresten und Staffage-Alternativen. 

Allen ethischen Überlegungen gingen die naturwissenschaftlichen Analysen voraus. Besonders die Röntgenuntersuchung erlaubte einen tiefen Einblick in das Schuhinnere, vorrangig für die Einschätzung der vorliegenden menschlichen Knochen. Optische Verfahren ermöglichten die stark vergrößerte Darstellung von Fasern und Textilstrukturen. Diverse messtechnische Methoden, wie die energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDX) oder die Infrarotspektroskopie (IR), halfen bei der Bestimmung der elementaren Bestandteile und somit bei der Zuordnung der Textilarten. 

Den Untersuchungen schlossen Probereihen zur Reinigung und Entfernung von Sediment und pflanzlichen Resten des Schuhäußeren, sowie des inneren Fersenbereichs an. Orientiert an dem entstandenen restauratorischen und konservatorischen Konzept wurden in einem ersten Schritt die Reinigungsmaßnahmen am Schuhäußeren und Teile des inneren Fersenbereichs durchgeführt.

Im Rahmen der dann folgenden Bachelorbearbeitung wurde sich mit dem Innenraum und den anwesenden menschlichen Fußknochen auf restaurierungsethischer Ebene befasst. 

Daraus ergaben sich drei Kernfragen, für die es galt Antworten zu finden. Wie kann der Umgang mit menschlichen Überresten aus ethischer, rechtlicher und konservatorisch-restauratorischer Sicht betrachtet werden? Warum sollten alternative Stützkonstruktionen Einsatz finden? Und welche Herstellungsmethoden und Materialien würden zur Erstellung von Staffagen in Frage kommen?

Über die naturwissenschaftlichen Untersuchungen, die die radiographische und mikroskopische umfassten, wurden theoretische Grundlagen von Definitions-, Gesetzes- und Moralfragen geklärt. So waren hier Provenienz- und Ahnenforschung sowie die Möglichkeiten der Rückführung Thema. 

Die Entscheidung für die Extraktion der menschlichen Knochen wurde in einem Diskurs mit Aufführung von für- und gegensprechenden Aspekten begründet. Mit der Entscheidung für die Entnahme konnte die ersetzende Einbringung von Staffagen diskutiert werden. Eine übergeordnete Rolle stellten die Zielformulierungen der Stützkonstruktionen dar, die beispielsweise dasselbe Volumen der Knochen vorweisen, allerdings leichter als diese sein sollten. Auch Emission war im Zusammenhang mit den Materialien ein zu bedenkender Gesichtspunkt. In einem letzten praktischen Abschnitt wurden für einen Testkreis Methoden und Materialien unterschiedlicher Eigenschaften, wie Festigkeit, Stützkraft oder Struktur, zur Beprobung ausgewählt. Drei manuelle und zwei mechanische Verfahren wurden getestet. Zum Einsatz kamen hier beispielsweise Polyethylen-Schaum, PE-Vlies sowie Polymethylmethacrylat als Filament im 3D-Druck Verfahren. Eine Kombination aus PE-Schaumstoff mit dem Überzugmaterial aus PE-Vlies und mittels der Herstellungsmethode des Schnitzens konnte von den vorliegenden Varianten am ehesten die Anforderungen erfüllen und wurde als Stützkonstruktion für den Thaldorfer Absatzschuh ausgewählt.  - Saskia Blumenstein B.A.